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Alexander Ukrow

Maßnahmen der SED, die zum ostdeutschen Sporterfolg führen sollten:

Fundament für den ostdeutschen Sporterfolg bildete das gut organisierte und strukturierte Sportsystem der DDR, welches den jungen Sportlern eine gute Heranführung an den Hochleistungssport ermöglichte und eine bestmögliche Förderung sicherstellte. So wurde explizit das System des Leistungssports ausgebaut und gefördert. Dazu stellte der Staat jährlich immense Summen zur Verfügung, die sich im Laufe der Jahre um ein Vielfaches vermehrten. Während er 1951 umgerechnet ungefähr sechs Millionen Euro in den gesamten Sport investierte, förderte der Staat den Sport 1989 mit knapp 1,4 Milliarden DDR-Mark, die nur für den Leistungssport bestimmt waren.[1] Aber nicht nur die gute Organisation des Sportsystems, sondern auch die Sichtungsaktionen waren ausschlaggebend für den ostdeutschen Sporterfolg. Durch eine breit durchgeführte Sichtung wurden nicht nur viele Menschen auf ihre sportlichen Fähigkeiten geprüft, sondern vor allem viele Talente erfasst, die ansonsten oftmals nicht zum Leistungssport gekommen wären. Dieses Scouting wurde sehr früh durchgeführt. So wurden viele Talente schon im Kindergarten oder spätestens in der Grundschule entdeckt und konnten dementsprechend früh gefördert und auf den Hochleistungssport vorbereitet werden. Die jungen Sportler wurden dann meistens auf Kinder- und Jugendsportschulen (KJS) geschickt, wo sie einerseits schulisch ausgebildet und sozialistisch erzogen wurden und andererseits hart in ihren jeweiligen Sportarten trainierten.[2] Durch diese Sportschulen konnte nicht nur die für die SED korrekte Bildung gesteuert werden, sondern durch die Einheit von Bildung und Sport mehr Flexibilität im Tagesablauf erzielt werden. Wenn Wettkämpfe anstanden, konnte die schulische Ausbildung reduziert und somit das Trainingspensum erhöht werden. Der Alltag eines Sportlers war oft anstrengend und der Leistungsdruck enorm. Nicht wenige Sportler gingen demnach, weil sie dem hohen Druck nicht standhalten konnten, von der Schule ab. Die ehemalige Turnerin Katrin Jaschob berichtet von einem zwölf- Stunden- Tag, den sie ab der dritten Klasse an von montags bis sonntags hatte.[3]

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Um Erfolg zu erzielen, hat der Staat dafür gesorgt, dass die Trainer bestmöglich ausgebildet wurden und viele Sportfunktionäre und ehrenamtliche Helfer zur Verfügung standen. Des Weiteren gewährleistete er die Entwicklung neuer Trainingsmethoden und den Ausbau von Sporteinrichtungen, sowie die Weiterentwicklung der Betreuung durch Sportmediziner.[4] Da das Erlangen von Medaillen für die SED an erster Stelle stand, war ihr jedes Mittel der Leistungssteigerung recht. Aus diesem Grunde wurde das Doping ab 1974 staatlich verordnet. Laut ZDF-Info wurden bis zu 15000 Sportler, davon 80 Prozent Minderjährige, meist unwissentlich, gedopt. Das staatlich gelenkte Zwangsdopingsystem, dass die jungen Talente zum Erfolg führen sollte, wird heute als klare Körperverletzung definiert und gilt sowohl als physische als auch als psychische Gewalt.[5] Noch bis heute dauert die Aufarbeitung derjenigen an, die dem Zwangsdopingsystem der DDR zum Opfer gefallen sind.

Interviewausschnitt A. Ukrow
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Interviewausschnitt K. Jaschob
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Der Leistungsgedanke der SED spiegelt die ergriffenen Maßnahmen wider. So auch der im April 1969 vom Politbüro gefasste „Leistungssportbeschluss“. Dieser beinhaltet die Zweiteilung des DDR-Sportes in Leistungssport, als „Sport Eins“ definiert und in den als „Sport Zwei“ definierten Massensport. Grund für diese Klassifizierung der Sportarten war, dass die SED sich in den Sportarten, die zu „Sport Eins“ gehörten, hohe Medaillenchancen errechnete und diese somit besonders förderte. Dazu gehörten vor allem Leichtathletik, Schwimmen, rhythmische Sportgymnastik, Turnen, Fußball, Boxen, Radsport, Handball, Volleyball, Basketball, Ringen und Rudern. Andere weniger erfolgreiche Sportarten wurden nur wenig gefördert oder auch ganz vernachlässigt. Es kam auch vor, dass Sportarten im Laufe der Zeit von „Sport Eins“ zu „Sport Zwei“ hinabgestuft wurden. Dies betraf unter anderem die Sportarten Eishockey, Basketball und Wasserball, deren Sportler mit den gravierenden Folgen leben mussten.[6] Denn für sie hieß es in den meisten Fällen das Ende des Leistungssports.

Der ostdeutsche Sport als „Politikum“

Der Sport in der DDR war ein Politikum und das wurde auch nicht verheimlicht. Das wirkte sich auch besonders auf die Sportler aus. Walter Ulbricht war der erste, der die Sportler als „Diplomaten im Trainingsanzug“ bezeichnete. Daran erkennt man schon, welche Rolle die ostdeutschen Sportler in der DDR einnehmen mussten. Den politischen Einfluss haben auch Ronald Maul, Alexander Ukrow und Katrin Jaschob gespürt, die allesamt betonen, im damaligen Sport habe lediglich die Leistung der Sportler gezählt.[7] Dazu beigetragen haben die Kinder- und Jugendsportschulen (KJS), die dazu dienten Vorzeigeathleten auszubilden, die die DDR und den Sozialismus bei Wettkämpfen vertraten.[8] Die KJS dienten demnach nicht nur dazu, die Sportler bestmöglich zu fördern, sondern insbesondere auch als ideologische Erziehung. Da alle Sportler zu systemtreuen und in den Augen der SED politisch korrekt eingestellten Menschen erzogen werden sollten, spielte bei der Aufnahme in die Sportschulen auch das familiäre Umfeld eines jeden eine große Rolle. Auch das Bildungssystem der DDR war sozialistisch geprägt und stark militarisiert. Seit 1978 wurde das Fach Wehrerziehung unterrichtet.[9] Die Sportler waren gezwungen, sich dem System anzupassen und sich dem Staat unterzuordnen. Da Viele nicht immer einer Meinung mit den Vorgaben und der Meinung der SED waren, kam es des Öfteren vor, dass sie sich zu einer anderen Meinung bekannten oder Kritik am Staat übten. Da die SED aber über einen großen Überwachungsapparat, dem Staatssicherheitsdienst (Stasi) verfügte, wurden diejenigen, die sich nicht als „Diplomaten im Trainingsanzug“ herausstellten, schnell aussortiert und aus dem Leistungssport verdrängt. Um diese "Feinde" aufzuspüren, wurden viele Sportler überwacht und jeder mögliche Verdächtige genauer ins Visier genommen. So haben viele Sportler im Nachhinein erfahren müssen, dass ihre Wohnungen verwanzt waren oder sie durch Spitzel überwacht wurden. Ungefähr 3000 Spitzel waren in der DDR in Sportverbänden tätig.[8] Um im Sport erfolgreich sein zu können, musste man sich also dem Staat anpassen. Es war auch nötig, dass die Sportler der Freien Deutschen Jugend (FDJ) beitraten, ganz gleich ob sie wollten oder nicht. Wer sich weigerte, wurde unter Druck gesetzt und sogar erpresst. Alexander Ukrow, ehemaliger Spitzenfußballer der DDR berichtet:

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„Mein Vater war damals Trainer und auch Major der Volksarmee gewesen. Aber er war nicht in der SED und hatte deshalb immer mal wieder Ärger gehabt. Letztendlich wurde er zu einem Beitritt gewissermaßen gezwungen, weil ihm ansonsten manche Positionen im Trainerbereich verwehrt geblieben wären“ [10]

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Des Weiteren war jedem klar, dass es Folgen haben konnte, zum Beispiel nicht wählen zu gehen.

Der SED ging es beim Sport nicht um Spaß, sondern immer um Leistung. Darauf war das gesamte System ausgebaut und auch die Sportler wussten das. Dementsprechend hatte auch jeder Leistungssportler den Druck, Medaillen gewinnen zu müssen. Damit möglichst alle Sportler ihr Bestes gaben und hart an sich arbeiteten, gab es als Leistungssportler viele Privilegien.

Interviewausschnitt A. Ukrow
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Auch die Medien waren parteiideologisch gesteuert und unter der Kontrolle der SED. Demnach wurden kritische Meinungen und zum Beispiel auch Republiksfluchtfälle nicht erwähnt und lediglich herausragende sportliche Leistungen verbreitet. Viele Sportler, die interviewt wurden, wussten das und erzählten deshalb nur von dem, was ihnen beigebracht wurde.[11]

Sport als Mittel zum Zweck

Bereits 1948 stellte der damalige FDJ- Vorsitzende Erich Honecker klar:

„Sport ist kein Selbstzweck, sondern Mittel zum Zweck“

Schon in den Anfängen der DDR wurde die enge Verbindung der Politik zum Sport deutlich. Der deutsche Turn- und Sportverband (DTSB), 1957 gegründet, bildete das oberste Organ des damaligen DDR-Sportsystems.[12] Vorsitzender war Manfred Ewald, der zugleich auch Mitglied des Zentralkomitees der SED war. Der DTSB bestand aus SED-Funktionären und stand somit unter der Kontrolle des Staates. Die SED war also in der Lage, die Strukturen des Sportes vorzugeben und ihn zu lenken. Der Sport sollte die Menschen für den neuen Staat und das neue System begeistern. Außerdem sah die DDR die Chance, durch das Erlangen möglichst vieler Medaillen die Stärke der DDR nach außen hin zeigen zu können und Ansehen im internationalen Raum zu gewinnen. Der Staat wollte durch Erfolge auch beweisen, dass der Sozialismus ein funktionierendes und erfolgreiches Staatssystem war.[13] Des Weiteren sah die SED es als eines der wichtigsten Ziele an, die staatliche Anerkennung der DDR auf internationaler Ebene zu erlangen. Dies gelang aber zunächst nicht, da die BRD 1955 mittels der Hallstein-Doktrin ihren Alleinvertretungsanspruch geltend machte. Vor allem aber sollte durch die Erfolge der Sportler die Überlegenheit des Sozialismus gegenüber dem Kapitalismus gezeigt werden. Anlass dazu war der Kalte Krieg, der sich auch auf den Sport übertrug und eine Systemkonkurrenz von Ost und West beinhaltete.[14] Der Sport diente also auch dazu, die Überlegenheit des Ostens gegenüber dem Westen zu demonstrieren. Die Feindseligkeit gegenüber dem Westen war enorm ausgeprägt und zeigte sich auch darin, dass die ostdeutschen Sportler keine Westkontakte haben durften. Auch Frau Jaschob und Herr Maul mussten das miterleben.

Interviewausschnitt K. Jaschob
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Politischer Einfluss auf den Sport auch in Westdeutschland?

Die unterschiedlichen Strukturen in den Systemen der DDR und BRD entwickelten sich zeitnah nach der Aufteilung Deutschlands. Die Alliierten entmilitarisierten den Sport nach der Zeit des Nationalsozialismus. Der Sport in der sowjetischen Besatzungszone wurde dann jedoch nach dem Kommunismus ausgerichtet, anstatt wie meistens auf Tradition aufzubauen. Der Staat hat sich somit im Osten viel Macht innerhalb des Sports verschafft und diesen, sowie auch die Sportler für sich instrumentalisiert. Von den westlichen Alliierten hingegen wurde der Sport als demokratischer Wettstreit innerhalb der Staatsstrukturen etabliert, welche verschiedenste politische sowie soziale Orientierungen zuließen.[15] So war der Deutsche Sportbund (DSB) in der BRD stets auf die Autonomie des Sportes bedacht und daher grundsätzlich eigenständig organisiert. Gerade zu Beginn der Bundesrepublik war die Politik auch gar nicht am Sport interessiert. Sie verkannte die Bedeutung des Sportes und dessen innen- und vor allem außenpolitische Rolle. Der Sport gewann im Westen nach und nach an Bedeutung und das „Wettrüsten“ auf leistungssportlicher Ebene begann.[16] In den 1960er Jahren war das Desinteresse des Staates gegenüber dem Sport verschwunden, stattdessen sollte sich auch der Westen auf olympischer Ebene mithilfe großer finanzieller Unterstützung etablieren. Es kam sogar soweit, dass Strukturen des ostdeutschen Sportsystems, wie zum Beispiel die Kinder- und Jugendsportschulen auf die Bundesrepublik übertragen wurden. Auch in der Bundesrepublik kam es zu Doping, das allerdings nicht staatlich verordnet war.

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Auch für die BRD war der Sport in gewisser Weise „Mittel zum Zweck“, denn auch sie setzte im Zuge des Kalten Krieges alles daran, den ostdeutschen Klassenfeind zu übertreffen. Außerdem strebte auch sie nach internationalem Ansehen. Deutlich wird aber auch, dass der politische Einfluss auf den Sport definitiv nicht so stark ausgeprägt war wie in der DDR und der Sport gerade zu Beginn eigenständig geregelt war.

Innerdeutsche Beziehungen im Sport während des Kalten Krieges:

Der Ost-West-Konflikt ab 1945 hatte nicht nur Auswirkungen auf das politische Verhältnis beider deutschen Staaten, sondern nahm auch Einfluss auf die deutsch-deutschen Beziehungen im Sport. So bildete der Sport einen Austragungsort des Kalten Krieges, der die Systemkonkurrenz von DDR und BRD wiedergab.

Durch den Alleinvertretungsanspruch der BRD verschlechterte sich die Beziehung der geteilten Nation zunehmend, weil die DDR, entgegen ihrer Ziele international erfolgreich zu sein, bis 1969 nicht an internationalen Wettkämpfen teilnehmen durfte. Nach dem zweiten Weltkrieg und der Spaltung Deutschlands hatte der Sport noch etwas Verbindendes zwischen Ost und West. Die BRD vertrat zwar zunächst Gesamtdeutschland  auf internationaler Ebene, trat aber 1956, 1960 und 1964 gemeinsam mit der DDR bei Olympia an. Ziel der DDR war es aber, eine eigene olympische Mannschaft stellen zu können. Aus diesem Grunde gründete sie 1951 ihr eigenes Nationales Olympisches Komitee, welches aber erst 1968 anerkannt wurde.[17] Letztendlich führten viele Gründe zum Abbruch der innerdeutschen Sportbeziehungen und zur sportlichen Feindseligkeit. Auswirkungen auf die Beziehungen hatten vor allem der Mauerbau und die Gründung des ostdeutschen NOK seitens der DDR. Aber auch Adenauers Abgrenzungspolitik und der Versuch der Westintegration im Zuge einer westlichen Staatengemeinschaft hatten Auswirkung auf die innerdeutschen Sportbeziehungen.[18] Der Traum vieler Menschen von einer Wiedervereinigung und demzufolge auch einem gesamtdeutschen Sport rückte immer weiter in die Ferne. Die Systemkonkurrenz verschärfte sich im Laufe der Jahre so stark, dass es für die SED sportlich gesehen eines der wichtigsten Ziele wurde, den westdeutschen Klassenfeind zu besiegen. Dazu wurden vielerlei Maßnahmen getroffen, um möglichst in allen Sportarten überlegen zu sein. Auch die BRD versuchte, im Zuge der Verschärfung des Kalten Krieges und des Wettrüstens, den ostdeutschen Rivalen im Sport zu besiegen. Dabei ging es nicht nur um die gegensätzlichen politischen Ansichten, sondern auch darum, wer die deutsche Nation am besten repräsentiert.[19] Das „Wettrüsten“ nahm seinen Lauf und der Sport rückte immer mehr in den Fokus des Kalten Krieges, der eben nicht nur politisch und militärisch ausgetragen wurde. Beide Staaten standen sich dementsprechend voller Missachtung und Feindseligkeit gegenüber. Ab 1969 kam es zu angespannten „deutsch-deutschen Duellen“ in den verschiedensten Sportarten, die für Osten und Westen von großer Bedeutung waren, zum Beispiel beim Aufeinandertreffen beider Fußballmannschaften bei der Weltmeisterschaft 1974. Damals trat die westdeutsche Mannschaft als Favorit gegen den vermeintlich chancenlosen Klassenfeind an. Das Spiel hatte zwar sportlich gesehen keine hohe Relevanz, da beide Mannschaften sich zu dem Zeitpunkt schon für das Achtelfinale qualifiziert hatten, war politisch gesehen aber von großer Bedeutung. Aus Angst sich vor dem Westen zu blamieren, berieten Sportfunktionäre der DDR nach der Auslosung, ob ein Rückzug angemessen wäre. Dies zeigt den hohen politischen Stellenwert, den der Sport damals aufwies. Letztendlich gewann die DDR überraschend mit 1:0.[20] Der Triumph über den Westen verbreitete sich schnell, was besonders durch die Medien gefördert wurde, welche die Systemauseinandersetzung weiter erhitzten.[21] 

Demnach war die Medienpräsenz beider Staaten bei solchen Aufeinandertreffen groß.

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Sportlerflucht:

Trotz des privilegierten Lebens eines Sportlers flohen viele junge Menschen aus der DDR in den Westen. Dies hatte vielerlei Gründe. Ein ausschlaggebendes Motiv war, dass Viele dem politischen System kritisch gegenüberstanden, ihre Meinung aber nicht offen preisgeben durften, ohne mit Folgen rechnen zu müssen. Das führte dazu, dass viele Sportler sich zwei Meinungen aneigneten, um weiterhin Leistungssport betreiben zu können.[22] Einerseits ihre persönliche Meinung und andererseits die Meinung, die sie im Sinne der SED-Ideologie nach außen trugen. Andere trotzten den Androhungen und bekannten sich offen zu ihrer systemkritischen Meinung. In dem Falle bedeutete das für die meisten Sportler das Ende des Leistungssportes.

Des Weiteren flohen viele Sportler wegen des enormen Leistungsdrucks, überall und zu jeder Zeit der Beste sein zu müssen. Mehr als 600 Tätige aus dem Sport zählte das Ministerium für Staatssicherheit (MfS), darunter Sportler, Trainer und andere Verantwortliche. Vom Staat wurden solche flüchtenden Sportler als „Sportverräter“ proklamiert und sofern es gelang, rechtzeitig von der Flucht abgehalten.[23] Sobald der Stasi Verdachtsfälle auffielen, wurden diese Sportler möglichst schnell aussortiert. Der Grund dafür lag darin, dass der Staat einen Prestigeschaden verhindern wollte, falls sich ein Sportler in den Westen absetzte.

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Auffallend ist auch, dass die Medien nichts über die flüchtigen Sportler berichtete, sondern lediglich der Westen diese aus dem Osten kommenden Fluchtfälle propagierte. Besonders prägnant war es bei Lutz Eigendorf, einem ehemaligen Spitzenfußballer. Er setzte sich während eines Stadtbummels der Mannschaft in den Westen ab. Die vom Staat kontrollierten Medien der DDR griffen seine Flucht nicht wirklich auf. Die damalige Zeitung "Neues Deutschland" veröffentlichte lediglich einen kurzen Artikel mit dem Titel "Gekauft und verraten", um vor einem Imageschaden bewahrt zu werden. Sein Name wurde aus sämtlichen Fotos und Artikeln rausgeschnitten. Im Nachgang hat das MfS Eigendorf bearbeitet und auch seine Frau bespitzelt. Sie wurde von ihrem Mann ferngehalten und heiratete später erneut. Ihr zweiter Ehemann erwies sich im Nachhinein als Spitzel, der sie lediglich überwachen sollte.[24]

Von der Sportlerflucht hat auch Herr Ukrow etwas mitbekommen.

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"Mein Vater war damals Co-Trainer einer Nationalmannschaft und der Cheftrainer dieser Mannschaft ist bei einem Auslandsaufenthalt in Jugoslawien geflüchtet. Das gab für meinen Vater dann Riesenprobleme, weil man davon ausgegangen ist, dass er etwas von der Flucht wusste. Daraufhin haben ihn Vorgesetzte ziemlich in die Enge getrieben, um ihm seine Beteiligung nachzuweisen. Er wusste aber nichts von den Fluchtplänen."[25]

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Feststellen lässt sich also, dass sich viele Sportler nicht nur mit dem politischen System nicht identifizieren konnten, sondern oftmals auch im Sport unzufrieden waren. Nach der Wiedervereinigung waren Sportlerfluchten kein Thema mehr, was aber vor allem daran liegt, dass die Sportler durch keine Grenze mehr gehindert wurden. Trotzdem veränderten sich das Sportsystem und auch die Trainingsmethoden.

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In Betrachtung dieser Gesichtspunkte wird der Systemkampf von Ost und West und deren Abneigung gegenüber dem jeweils anderen Staate deutlich. Im Laufe der Jahre, in denen sich der Konkurrenzkampf im Zuge des Kalten Krieges immer weiter verschärfte, wurde die Distanzierung des geteilten Deutschlands voneinander immer größer. Die Hoffnung einer Wiedervereinigung und somit auch einer Einheit im Sport schwand mit zunehmender Anspannung zwischen Ost und West.

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[1]https://www.youtube.com/watch?v=HwKC1-yXJEQ; letzter Aufruf 23.01.2021

[2]Wüstenberg, Timm, Symbolträger des Systemkampfes- Sport im geteilten Deutschland, 2012

[3]Interview Katrin Jaschob; 18.01.2021

[4]http://www.sport-ddr-roeder.de/funktionen_ziele.html; letzter Aufruf 16.01.2021

[5]https://www.youtube.com/watch?v=HwKC1-yXJEQ; letzter Aufruf 23.01.2021

[6]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 10

[7]Interviews Katrin Jaschob; 18.01.2021, Alexander Ukrow; 04.01.2021, Ronald Maul; 18.12.2020

[8]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 16

[9]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 14

[10]Interview Alexander Ukrow; 04.01.2021

[11]https://www.bpb.de/geschichte/deutsche-geschichte/stasi/219625/sport; letzter Aufruf 09.01.2021

[12]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 18f.

[13]https://www.hdg.de/haus-der-geschichte/ausstellungen/wir-gegen-uns-sport-im-geteilten-deutschland; letzter Aufruf 10.01.2021

[14]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 7f., 11

[15]https://www.mdr.de/zeitreise/stoebern/damals/sport-im-kalten-krieg100.html; letzter Aufruf 15.01.2021

[16]Wüstenberg, Timm, Symbolträger des Systemkampfes- Sport im geteilten Deutschland, 2012

[17]Wüstenberg, Timm, Symbolträger des Systemkampfes- Sport im geteilten Deutschland, 2012

[18]https://www.ddr-museum-muehltroff.de/ddr-geschichte-sport.html; letzter Aufruf 15.01.2021

[19] Leistungssport in der DDR. Mittel zum Zweck (Erika Otto)

[20]https://www.dfb.de/news/detail/1974-historische-niederlage-gegen-die-ddr-184627/full/1/; letzter Aufruf 15.01.2021

[21]Wüstenberg, Timm, Symbolträger des Systemkampfes- Sport im geteilten Deutschland, 2012

[22]Wüstenberg, Timm, Symbolträger des Systemkampfes- Sport im geteilten Deutschland, 2012

[23]Schmidbauer, David Arno Georg, Sport und Politik in der DDR. Die Rolle des Leistungssports im politischen System: Benutzte die Führung der DDR den Leistungssport zu innen- sowie außenpolitischen Zwecken?, Erfurt, 2010, Seite 18f.

[24]https://de.wikipedia.org/wiki/Lutz_Eigendorf; letzter Aufruf 18.01.2021

[25]Interview Alexander Ukrow; 04.01.2021

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JPG von Ronald Maul zur Verfügung gestellt worden

JPG von Alexander Ukrow zur Verfügung gestellt worden

Der politische Einfluss auf den Sport

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Ronald Maul während seiner Zeit beim VFL Osnabrück

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